Vereinsgeschichte

Der Gründer des Pfälzischen Gehörlosenverbandes

und des Gehörlosenvereins Ludwigshafen/Rhein

 

Nacherzählt von Jakob Eckfelder

 

Herr Paul Mittenzwei wurde am 31. Dezember 1871 in Greiz (Thüringen) geboren. Er verlor im 8. Lebensjahr durch eine Krankheit sein Gehör und besuchte die Gehörlosenschule in Schleiz. Er erlernte den Buchbinderberuf und legte die Meisterprüfung ab. Seine Wanderjahre führten über die Schweiz und Frankreich, in die Pfalz. In Ludwigshafen am Rhein nahm er eine Pfälzerin zur Frau (1903). Aus seiner Ehe entsprossen 3 Kinder, von denen ein Sohn heute noch in Ludwigshafen lebt. In Mannheim trafen die Gehörlosen der Pfalz und Baden im „Taubstummen-Club Freundschaft“ zusammen. Der damalige Vorstand Lehrer Mössner, Karlsruhe, beeinflusste Herrn Mittenzwei zur Gründung des „Pfälzischen Taubstummen-Vereins e.V.“ Herr Mittenzwei warb unermüdlich und hielt verschiedenen pfälzischen Städten Versammlungen ab. Am 19. Juni 1909 fand in Bergzabern die erste Zusammenkunft der Gehörlosen aus der Pfalz statt. Anwesend waren ca. 30 Schicksalsgenossen aus Bergzabern, Landau, Ludwigshafen, Neustadt, Neuhofen, Pirmasens, Grünstadt und Offstein. Es wurde der Wunsch ausgesprochen, einen Pfälzischen Taubstummenverband“ zu gründen und die ganze Pfalz in Bezirksgruppen einzuteilen. Mittenzwei verfaßte einen aufrüttelnden Aufruf und ließ ihn bei dem gehörlosen Buchdruckereibesitzer Neubauer, Ludwigshafen, drucken: „An die Pfälzischen Taubstummen! Aufruf und Einladung zur Gründung eines Pfälzischen Taubstummenverbandes“. Dieser Aufruf – noch gut erhalten – legt Zeugnis ab, daß die zweite Zusammenkunft – Verbandsgründung – am 17. Juli 1910 im Lokal Kemmner in Ludwigshafen, Bismarckstraße, stattgefunden hatte.

Paul Mittenzwei blieb bis 1943 in Ludwigshafen. Der Bombenkrieg auf diese junge pfälzische Großstadt zwang ihn mit Frau und Tochter in sein Heimatland Thüringen zurückzukehren. Dort starb er am 31. Juli 1957 im Alter von 86 Jahren.

 

Da Paul Mittenzwei auch die Gehörlosen von Ludwigshafen und Umgebung betreute, war er zu gleicher Zeit im Jahr 1910 Gründer des Gehörlosenvereins Ludwigshafen.

 

Rückblick von 1910 bis 1970

 

Die zwei Weltkriege konnten das Vereinsleben nicht ganz zum Erliegen bringen. Immer wieder waren Männer da, die den Verein wieder auf- und ausbauten. Das Werk Mittenzwei’s heutzutage – in der modernen Zeit der Motoren, Raketen und Atome – kann weiterbestehen, weil es auf einem starken Fundament, der Treue der Mitglieder zum Verein, aufgebaut ist. Die „Heimat des Gehörlosen ist sein Verein!“ Eine ausführliche Vereinsgeschichte zu schreiben, würde viele Druckseiten erfordern, deshalb wollen wir der Männer gedenken, die die Geschicke des Pfälzischen Gehörlosenverbandes lenkten.

 

Pfälzischer Taubstummenverein e.V.: 1910 bis 1922: Paul Mittenzwei*, Ludwigshafen, Direktor Joh. Kling**, TOL Math. Gabelberger**, Schriftführer TOL Burgey, TOL Gabelberger, TOL Oberhauser.

 

Pfälzischer Gehörlosenverein:1922 bis 1926: Studienprofessor Joh. Jak. Hamm*, Kaiserslautern. Paul Mittenzwei**, Ehrenbeirat Direktor Karl Huber, Georg Bechtold, später Joh. Wilhelm, Schriftführer, Rechel, Kassierer.

 

Der Gehörlosenverein Ludwigshafen

von 1945 bis 1970

 

Nachdem in früheren Jahren durch die Tatkraft und vorausschauende Umsicht unseres Gründungsmitgliedes Paul Mittenzwei, der Gehörlosenverein Ludwigshafen am Rhein gegründet würde, sah sich unser Verein nach 1945 vor einem NICHTS dastehen.

 

Ludwigshafen gehörte zum Bereich der französischen Besatzungszone, und es bestand ein allgemeines Verein- und Versammlungsverbot.

 

Hans Christmann vom Ortsverein Ludwigshafen nahm nach dem Kriegsende unverdrossen die Vereinsarbeit wieder auf um ein neues Vereinsleben in Freiheit und Demokratie zu ermöglichen. Wegen dem allgemeinen Versammlungsverbot hatte Christmann ca. 2 Jahre mit der französischen Militärregierung immer wieder Kontakt wegen einer Versammlungsgenehmigung aufgenommen.

 

Mit dem 15. Oktober 1947 wurde ihm und dem Verein vom Gouvernement Militaire du Palatinat die Bevollmächtigung zur Abhaltung einer Versammlung mit Neuwahlen erteilt. Die erste Versammlung

Nach dem Krieg fand am 26. 10. 1947 um 14 Uhr im Lokal „Siegfried“, Ludwigshafen, Siegfriedstr. 32, statt Ihr erste offizieller Vorstand wurde Hans Christmann. Dieses Amt hatte er bis 1950 inne. Hierunter fällt auch das 40. Jubiläum unseres Vereines 1950 im Saal des „Pfälzer Hof“. Die Mitgliederzahlen von 1945 bis 1950 betrugen im Durchschnitt etwa 70 bis 80 Mitglieder.

Folgende Herren führten danach das Amt des ersten Vorsitzenden:

 

1950 bis 1953       Johann Behringer          1955 bis 1957        Heinrich Lehmann

1953 bis 1954       Heinrich Lehmann         1957 bis 1958        Karl Sack

1954 bis 1955       Ludwig Hahn                 1958 bis 1970        Oswald   Baumann

 

Im Frühjahr 1948 fand unser Verein in der Bellheimer Bierhalle, Fabrikstraße, jeden 4. Sonntag im Monat

Ihr Domizil. Seit 1960 bis heute werden unsere Versammlungen im kleinen Bürgerbräu in der Bismarkstraße abgehalten.

 

1958 kam Peter Schröter als Schriftführer zum Verein. Bis heute findet unser derzeitiger Vorsitzender Oswald Baumann in Schröter ein unabhängig und selbstständig arbeitendes Vorstandsmitglied für die Geschäftsführung des Vereins. Baumann und Schröter organisierten im Jahr 1960 auch das 50. Stiftungsfest des Vereins, welches im alten Pfalzbau stattfand. Viel Anklang und ein unvergessenes Erlebnis waren dir Zaubervorführungen des Vorsitzenden Baumann und die Varieté-Nummern. Ebenso trugen damals auf die Bühne auch die komischen Einlagen in Pantomime des Herrn H. Lehmann viel zu einem festlichen Ausklang bei.

 

Es sei noch erwähnt, daß während der Studienzeit von Schröter Hans Schwöbel aus Neuhofen für die Geschäftsführung des Vereins einsprang. Wir fanden in Schwöbel einen aufgeschlossenen und selbstständigen Mitarbeiter. Er zog leider 1969 wegen Heirat nach Rastatt um, so daß Schröter die gesamten Aufgaben der Vereinskorrespondenz wieder übernahm.

 

Hiermit sei den genannten und insbesondere auch den ungenannten Mitgliedern des Vereins unser herzlichster Dank für die aufopferungsvolle Mitarbeit zum Wohl aller Gehörlosen kund getan.